In dem Kontext einer immer offeneren Welt nimmt das Wort „Grenze“ an Bedeutung ab, ebenso wie die Vorstellung eines starken Nationalstaates. Was sind nationale Eigenheiten im Vergleich mit der Vorstellung einer internationalen Gemeinschaft, die über die Grenzen hinaus existiert und auf objektive und aufgeklärte Prinzipien wie die Menschenrechte basiert ist? So zählt der Prozess der europäischen Integration zu den wichtigsten Einwänden gegen das Aufkommen eines neuen Patriotismus nationalstaatlicher Prägung. Auch wenn die Europäische Union (EU) sich darum bemüht, partikulare „Patriotismen“ zu respektieren (z.B.: die französischen „exception culturelle“), sind die EU-Mitgliedsstaaten dazu gezwungen, den europäischen Institutionen immer mehr Aufgaben zu überlassen. In diesem Zusammenhang erscheint das patriotische Gefühl nicht mehr als zeitgemäß, sogar als rückständig.
Patriotismus heißt die Liebe zur „Patrie“, d.h. zum Vaterland. Liebe ist kompliziert, so der Korrespondent der Times Roger Boyes, da sie wechselseitig sein muss: „sie muss wachsen oder sie wird schrumpfen, weil Liebe keine Konstante ist. Sie ist eine Variable. Und zum Thema Patrie, Patria, wo ist sie, diese Heimat, wo ist das Vaterland in einer Welt verwischter und schmelzender Grenzen?“ Die Globalisierung macht die Vaterlandsliebe schwieriger. Was ist mit Deutschland, einem Land mit so einem komplizierten und einzigartigen Verhältnis zu seiner Geschichte? Hinzu kommt, dass seit der deutschen Teilung zwei verschiedenen Geschichtsdiskurse nebeneinander existieren. Nationalgefühl gab es kaum in Deutschland bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in 2006. Aber nach dem Spiel stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit eines neu entstandenen deutschen Nationalbewusstseins, indem die Deutschen im breiteren Sinne (d.h. mit allen Komponenten der Gesellschaft zusammen, auch mit den Türken und den Libanesen) endlich einig und stolz auf ihrem Land schienen. Kann es heute einen deutschen Patriotismus geben?
Zum einen sieht es aus, wie die Deutschen mit ihrem „schwierigen“ Vaterland und ihrer „schwierigen“ Geschichte immer besser zurecht kommen, indem es sich die Auffassung in der Gesellschaft verbreitet, dass „patriotisch“ und „nationalsozialistisch“ nicht dasselbe heißen. Denn stellt sich die Frage der Neufassung eines deutschen „Wir-Gefühls“ im Zeichen des schwarz-rot-goldenen Fußballsommers des Jahres 2006. Zum anderen taucht auf, dass deutsche Politiker mit der Verbesserung des Images Deutschlands im Ausland und der Stimmung innerhalb der deutschen Gesellschaft mehr beschäftigt sind als mit der Neudefinition der deutschen Identität. Als Beispiel dafür möchte ich die Medienkampagne „Du bist Deutschland“ nennen.
[...] Kann es heute einen deutschen Patriotismus geben? Europäische Integration und Globalisierung und Nationalgefühl In dem Kontext einer immer offeneren Welt nimmt das Wort an Bedeutung ab, ebenso wie die Vorstellung eines starken Nationalstaates. Was sind nationale Eigenheiten im Vergleich mit der Vorstellung einer internationalen Gemeinschaft, die über die Grenzen hinaus existiert und auf objektive und aufgeklärte Prinzipien wie die Menschenrechte basiert ist? So zählt der Prozess der europäischen Integration zu den wichtigsten Einwänden gegen das Aufkommen eines neuen Patriotismus nationalstaatlicher Prägung. [...]
[...] Weiterhin zieht der Historiker Hans-Ulrich Wehler eine Parallele mit dem rheinischen Karneval, während der Medienwissenschaftler Norbert Bolz sogar auf eine „neue Religion der Freude“, also einer Form des Hedonismus, hinweist[6]. „Dabei sein- und mitfühlen wollen“ sei das Wichtigste, erklärt der Soziologe Karl-Otto Hondrich[7]. Das Volk befinde sich also in einer postmodernen Ära, in der die Bürger mehr Wert auf Unterhaltungsmöglichkeiten als auf nationalen Symbolen legen. Zum Schluss hat die Fußball-WM gezeigt, dass das Nationale ganz normal ist. Doch kann man sie nicht als eine neue Form des Patriotismus verstehen. [...]
[...] So haben Nationalsozialismus, Faschismus und Totalitarismus mit Patriotismus und Demokratie nichts zu tun und patriotisch sein heißt nicht, dass man nationalsozialistisch denkt! Es entsteht also ein neues Verhältnis der Deutschen zu ihrer Geschichte. Ganz im Gegenteil stabilisiert eine patriotische Einstellung die Demokratie[3]. Eine emotionale Unterstützung des Systems ist notwendig, indem diese Staatsform vom kognitiven Konzept lebt. Diese affektive Unterstützung soll aufgebaut und nicht enttäuscht worden sein. Und dies ist die Aufgabe der Politiker (siehe II.). Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Deutschland schwarz-rot-goldenen Rauschen“ Diese emotionalen Ausdrucksformen findet man z.B. [...]
[...] Aber ein deutscher Patriotismus kann heute nur geben, wenn die deutsche Identität darunter versteht man auch Geschichte genauer definiert wird. Quellen - Bücher und PDF-Dokumente o ALMOND Gabriel/VERBA Sidney, The Civic Culture, Princeton o ALMOND Gabriel/VERBA Sidney, The Civic Culture Revisited, Boston o DELANNOI Gil, Sociologie de la nation, Fondements théoriques et expériences historiques, Paris o HONDRICH Karl-Otto, in HEBEKER Ernst/HILDMANN Philipp W., Fröhlicher Patriotismus? Eine WM-Nachlese, München o FUHR Eckhard/SEITZ Norbert/BISKUPEK Matthias/BOYES Roger/MAYER Tilman/BIZEUL Yves, Patriotismus, bpb, Bonn o WENTKER Hermann, „Zwischen Abgrenzung und Verflechtung: deutsch- deutsche Geschichte nach in Zeitgeschichtsforschung, bpb, Bonn - Zeitungsartikel o AX Martin, Kampagne Wir in Deutschland, Die Welt o BOLZ Norbert, Lob des Lebens, Der Tagesspiegel o REENTS Edo, Deutschland-Kampagne Sprüche und Schliche, Frankfurter Allgemeine Zeitung BOYES Roger, neuen Patrioten“, in Patriotismus, bpb, Bonn MAYER Tilman, „Patriotismus Die neue bürgerliche Bewegung“, in Patriotismus, bpb Bonn ALMOND Gabriel/VERBA Sidney, The Civic Culture, Princeton, 1963/The Civic Culture Revisited, Boston WATZAL Ludwig, „Editorial“, in Patriotismus, bpb SEITZ Norbert, Nachhaltigkeit eines neuen Patriotismus“, in Patriotismus, bpb BOLZ Norbert, Lob des Lebens, Der Tagesspiegel HONDRICH Karl-Otto, in HEBEKER Ernst/HILDMANN Philipp W., Fröhlicher Patriotismus? [...]
[...] Aufgrund dieser „schwierigen“ Vergangenheit ist es wichtig geworden, in der deutschen Gesellschaft, zwischen einem „guten Patriotismus“ und einem „schlechten Nationalismus“ zu trennen und sich deutlich für eine aufgeklärte, friedliche und demokratische Demokratie einzusetzen. Patriotismus kann also als Gegengift gegen den geschichtlich geprägten Nationalismus bezeichnet werden. Patrioten sind „alle Engagierten, die sich implizit oder explizit für ihr Land einsetzen.“ Geht man davon aus, dass autoritäre und totalitäre Kräfte der Nation schaden, so kann eine rechtsextremistische Partei wie die NPD nicht als patriotisch anerkannt werden. Auch der Nationalsozialismus des Dritten Reichs hat sich vom Thema der Nation teilweise abgegrenzt. Zwar wollte Hitler die Masse der Bevölkerung von der Überlegenheit der deutschen Nation bzw. [...]
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