Nachdem die Bundestagswahl 2005 für keines der beiden Lager eine Regierungsmehrheit gebracht hatte, verständigten sich CDU, CSU und SPD am 12. November 2005 nach langwierigen Verhandlungen auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag1. Was den Arbeitsmarkt angeht, scheint dieser Koalitionsvertrag ja ziemlich hochfliegend : Einführung eines Kombilohns, Lohnzusatzkostensenkungen, Vereinheitlichung der Arbeitslosengeldsleistungen zwischen den neuen und alten Bundesländern, Reform der Rentenversicherung,…
Wird aber das jüngst geborene „Zweckbündnis auf Zeit“ (Franz Müntefering) fähig, am Ende seines Mandates alle seiner Pläne umgesetzt zu haben?
Erstens wird hier darauf fokussiert, was die Große Koalition schon verwirklicht hat. Dann wird studiert, welche weiteren Reformen die Koalition in ihren noch bleibenden drei Jahren umsetzen will, und wie günstig die parteiliche Konstellation ist. Dann wird gesehen, wie vorteilhaft für diese reformerische Koalition die Konjunktur ist.
[...] Tatsächlich treten diese Veränderungen auf Kosten des Wohlstandes der Arbeitnehmer, deren Lohn nicht steigt. Selbst wenn die Politik der Großen Koalition schließlich zu keinen erheblichen Abnahmen der staatlichen Kosten führte, schufen sie ein günstiges Klima für die Unternehmen, was wesentlich zur Anstellung Arbeitnehmer beiträgt. Zum Schluss ist eines klar: die Große Koalition folgt im Bereich der Arbeitsmarktpolitik bestens der deutschen Tradition des reformatorischen Pragmatismus nach. Tatsächlich wurden binnen eines Jahres effiziente Maßnahmen getroffen. Selbst wenn diese Reformen den sozialstaatlichen Wesenzug Deutschlands geschwächt haben, haben sie die Hauptsache gerettet: ein relativ hohes Sozialleistungssystem. [...]
[...] Zweitens hat allem Anschein nach die Grosse Koalition vor, sich mit dem Kern des Problems der Arbeitslosigkeit zu beschäftigen, und zwar die Langzeitarbeitslosigkeit. In diesem Sinne wurde ein Plan vom Arbeitsmarktexperten der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Brandner am 27. Dezember angekündigt, für 100.000 ältere Langzeitarbeitslose neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. In drei Varianten könnten laut Brandner Stellen angeboten werden: Als öffentlich geförderte Arbeit in Kommunen, in Integrationsbetrieben, aber auch in der Privatwirtschaft. Firmen würden bei Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose einen „finanziellen Nachteilsausgleich“ erhalten. [...]
[...] Darüber hinaus verteidigte die Bundesregierung im Bundestag die Verschärfungen beim ALG II gegen die Kritik aus der Opposition, vor allem der PDS. Angela Merkel, Bild am Sonntag Juli 2006. Franz Müntefering, Tagesschau Juni 2006. Peter Struck, Die Welt Oktober 2006. Angela Merkel, Bild am Sonntag Oktober 2006. Aber nicht nur das ALG II wurde von den Reformen am 1. Januar 2007 betroffen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, steigt der Beitragssatz in der Rentenversicherung um 0,4 Prozentpunkte von 19,5 auf 19,9 Prozent. [...]
[...] Zunächst scheint also, dass beide Partner der Koalition sich darüber einig sind. Doch dann tauchte innere Streiterei in der SPD, in dem der Links- Flügel der SPD eher zögernd war. Tatsächlich erklärte SPD- Bundesvorsitzender Kurt Beck: „Wenn das umgesetzt ist, was wir auf den Weg gebracht haben, ist die Grenze der Zumutbarkeit erreicht.“11 Andererseits verursachten die Debatten über Arbeitspolitik für Ältere auch Streiterei innerhalb der CDU. Beispielsweise wurden ALG-I-Kürzungen bei Jüngeren vom NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers vorgeschlagen, um die Bezugsdauer für Ältere zu verlängern. [...]
[...] Die Große Koalition nahm nämlich schon andere im Koalitionsvertrag vereinbarte Reformprojekte in Angriff, wie z. B. die Einführung eines Kombilohns. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass die Große Koalition im Bereich der Arbeitsmarktpolitik die überwiegende Mehrheit seiner Pläne verwirklicht. Dennoch kostet eine pragmatische Politik immer viel zu denjenigen, die sie führen. Es liegt daran, dass genau die pragmatischen Reformen, und nicht die idealistischen Reformen, immer am schärfsten in den Debatten kritisiert werden. Und dies gilt umso mehr, als es sich hier um eine Große Koalition handelt, weil um so große Meinungsverschiedenheiten zwischen den Protagonisten der Koalition sich daraus ergeben. [...]
Source aux normes APA
Pour votre bibliographieLecture en ligne
avec notre liseuse dédiée !Contenu vérifié
par notre comité de lecture