Aschenbachs Traum ist ein richtiges Beispiel der Funktion und Verarbeitung des Traumes. Hier werden viele typische Elemente dargestellt, die sollen interpretiert werden. Zunächst werden wir die Form, dann der Inhalt dieses Traumes studieren.
Was die Form des Traumes betrifft, lässt uns der Erzähler die typische traumhafte Handlung veranschaulichen.
Erstens ist der Traum als „körperhaft-geistiges Erlebnis“ gekennzeichnet : wahrscheinlich kann man einen solchen Ausdruck als Definition des Traumes nehmen. Der Traum leitet in unserem Schlaf Geschehnisse ein, die wir als wahrhaft begreifen, weil wir sie zugleich in unserem Körper und in unserem Geist wahrnehmen. Hier ist dies explizit ausgeführt und im Inhalt materialisiert. Zuerst wird der Träumer diese Erfahrung als körperhaft fühlen : die hier evozierte Beschreibung betont das genau. Mehrmals wird uns gesagt, dass der Träumer sich „in sinnlicher Gegenwart“ befand, dass „seine Sinne lauschten“… Es ist von großer Bedeutung, dass der Traum hier als Synästhesie evoziert wird. In diesem Fall befindet sich das körperliche Erlebnis auf seinem Höhepunkt.
[...] Hier wohnt man einen typischen Eindringen der persönlichen Umwelt des Träumers bei. Dann weiß man, dass Aschenbach eine Art Gelehrter und Schriftsteller ist, das heißt, dass er wahrscheinlich eine ziemlich reiche literarische Kultur besitzt, die sich hier spiegelt. Tatsächlich ist diese traumhafte Szene fast die perfekte Beschreibung der von Euripides geschriebenen Tragödie, die die Bacchantinnen betitelt ist. Die Anspielung auf dieses Werk wird vielmals durch mehrere Elemente betont : der Ausdruck fremde Gott“ kennzeichnet den Gott Dionysos, die nächtliche Szene im „Bergland, bewaldeter Höhe, zwischen Stämmen und moosigen Felstrümmern“, die Anwesenheit Weiber, Böcken und solche Satyrn („Männer, Hörner über den Stirnen, mit Pelzwerk geschürzt und zottig von die Handlung selbst, die nur ein großes Opfer und Fest mit Tanz und Musik ist, und die sich als Bacchusfest in einer „grenzenlose Vermischung“ endet All diese Elemente spielen auf diese vom Träumer besetzte Kultur an. [...]
[...] Dionysos, auch genannt, kann auch hier den Teufel bezeichnen, der die Seele der Menschen durch seine Trinkgelage zu verlocken versucht. Meiner Meinung nach sind all diese Elemente präsent und im Traum zusammen vermischt. Die Interpretation ist dann leicht zu verstehen: der Träumer wird hier verlockt. In dieser Verlockung erfüllt er seine eigenen Triebe, meistens sexuelle und mordende Triebe. Er setzt sich selbst in der Lage des armen Menschen, der körperlich und geistig widerstehen soll. Aber sein Widerstand, wie schon am Anfang des Traumes erwähnt, wird gewalttätig niedergeworfen. [...]
[...] Aber dies dient nicht nur, um etwas zu verleugnen : er will nicht erkennen, dass er Dämon verfallen“ ist, schon am Anfang mit der „entsetzen Neugier“, das Flötenspiel, „welches auf schamlos zubringende Art die Eingeweide bezauberte“, dass er „wusste, was dass er vom Ruf zum Fest und Unmaß gelockt wird. Dies erregt bei ihm ein Schuldgefühl, das hier am Ende des Traumes hinausgegangen ist, indem er die „Unzucht und Raserei des Unterganges“ kostete. Der Traum hat also hier die Funktion, den unbewußten Wunsch Aschenbachs auszudrücken, das heißt seine zu redliche und rechte Existenz zu zerstören und seine sexuellen und neuen Triebe zu erfüllen, indem er seinen geistigen Widerstand niederwirft. [...]
[...] Dann wird Aschenbach zum Fest und Unmaß durch das Gehör geführt, und schließlich wird seine Seele den Paukenschlägen“ gesiegt. Das Gesicht ist auch präsent: die Nacht erhellt sich durch „qualmige Glut, zerrissenes Licht, und Fackelbrände“, bis zur totalen Verblendung des Träumers Der Geruch besetzt auch einen wichtigen Platz im Traum: der Sinn wurde von „Dünsten nach Wunden und umlaufender Krankheit, beizendem Ruch der Böcke, Witterung keuchender Leib und Hauch faulender Wasser“ bedrängt. Dann wohnt man mit der Steigerung der Handlung der Benutzung der letzten zwei Sinne bei: den Geschmack benutzt der Träumer, um das „Blut zu lecken“ und „dampfende Fetzen zu verschlingen“; und der Tastsinn ist ihm nützlich, um „geile Gebärden und buhlende Händen“ zu realisieren Aus dieser Synästhesie kann man schließen, dass der Traum eine richtige körperliche Erfahrung ist. [...]
[...] Aber dieses Erlebnis scheint vom Träumer schlecht erlebt zu werden: es wird wie eine gewalttätige Erfahrung dargestellt. Das ist das zweite Element der traumhaften Form: die traumhaften Geschehnisse „brechen von außen herein, werfen den Widerstand des Träumers nieder, gehen hindurch und lassen sein Leben verheert und vernichtet zurück“. Dem Träumer bleibt der Eindruck, dass er nichts kontrolliert und gewollt hat, dass er aus dem Traum zerstört, zersplittert hervorgeht. Dieser Eindruck wird hier im Auszug gut evoziert. Was den Inhalt dieses Traumes betrifft, ist er einerseits ziemlich typisch für den Menschen. [...]
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