Wirnt von Grafenbergs Roman "Wigalois" ist nach dem "Parzival" der zweitbeliebsteste Artusroman des 13. Jahrhunderts. Sehr oft wird er als Werk eines Nachklassikers betrachtet, das im Hinblick auf die als Modell der Artusdichtung geltenden Romane von Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach einen Sonderfall darbietet. Kann man aber dem Wort Sonderfall eine negative Bedeutung beimessen und Folgendes behaupten: "Sein Werk kann sich freilich nicht neben die der Klassiker stellen; es ist nur ein höfischer Unterhaltungsroman für ein weniger anspruchsvolles Publikum" ? Mit diesem Zitat wird ein Vergleich zwischen klassischen Werken und "Wigalois" hergestellt. Der Rückgriff auf das restriktiv wirkende Wort "nur" zeugt von dem äuβerst negativen Charakter einer Beurteilung, die den Akzent auf das "delectare" setzt. Dies wird in Verbindung mit den Erwartungen eines angeblich wenig gebildeten Publikums gebracht und impliziert, dass eine didaktische Belehrung abwesend ist. Der Kritiker spricht zwar von einem höfischen Roman, durch eine Anspielung auf die Struktur des Textes, er vertritt jedoch gleichzeitig die These, dass Wigalois nicht mit den Klassikern halten kann. Verdient das Werk von Wirnt eine solche herabwürdigende Beurteilung? Um eine Antwort auf diese Frage zu geben und die Relevanz des Zitats zu prüfen, werden wir uns auf eine dreiteilige Argumentation stützten. Zunächst einmal wird das Augenmerk auf die Struktur und auf das dem Roman zugrundeliegende Vorhaben gerichtet. Dann werden wir uns dem Sinndefizit zuwenden, das der Text an verschiedenen Stellen aufweist. Schlieβlich wird gezeigt, inwiefern die an die Stelle der "Ob-Spannung" tretende "Wie-Spannung" dem Roman einen besonderen Charakter gibt.
[...] Nicht von ungefähr schickt Wigalois den einen Riesen, dem er ganz am Anfang seiner Aventiuren das Leben schenkt, an Artus'Hof (V. 2139-2145). Allein der König vermag nämlich seinen Sieg offiziell zu bestätigen. Der Autor greift auβerdem eine ganze Reihe von höfischen Werten auf, um die Perfektion seines Helden und die Tugenden der zahlreichen weiblichen Figuren, die im Laufe der Handlung auftauchen, zu unterstreichen. Die und die sind in dieser Hinsicht zwei der bekanntesten höfischen Werte, die Wirnt uneingeschränkt lobt. An dieser Stelle könnte beispielsweise auf Japhite verwiesen werden und auf deren absolute Treue zu Roaz, die der Autor folgendermaβen zur Geltung bringt: ir was vrouwen êre / und ganziu triuwe veste“ (V. [...]
[...] Ihm geht es auch darum, es durch die Darstellung eines in allen Hinsichten perfekten Herrschers zu belehren, um somit dem sittlichen Verfall seiner Epoche, von dem er an mehreren Stellen spricht, entgegenzuwirken. Häufig nocht häufiger als Hartmann von Aue in greift der Erzähler in seinem Text ein, um die Missstände einer Epoche voller Wirren zu geiβeln oder die Handlung durch Lebensweisheiten zu kommentieren. Dies trägt zur Schaffung einer idealisierten Vergangenheit („laudatio temporis bei, von der sich die verdorbene Gegenwart abhebt, wie es zum Beispiel in den Versen 10245-10251 der Fall ist: „Welt ir, ich sagiu wâ von: / wîlen was man ungewon / valschlîcher minne; mit einvaltigem sinne / minten si ein ander dô. [...]
[...] Zunächst einmal wird es der Tradition gemäβ und dabei denken wir insbesondere an das „Niebelungelied“, in welchem er ausschlieβlich als sexuelles Symbol fungiert als ein Verführungsinstrument, welches der Königin Ginovere geschenkt wird (V. 370- 383). In der Beschreibung dieses mit zahlreichen Steinen verzierten Gürtels wird aber der Akzent nicht nur auf seinen erotischen Charakter gelegt, sondern auch auf seine magische Kraft, wie es beispielsweise bei Gottfried von Strassburg bereits der Fall ist. Der Gürtel verleiht „vreude und wîsheit“ (V. 332) und macht vor allen Dingen denjenigen, den ihn trägt, unschlagbar: daz ist ie âne wân / ezn habe der steine kraft getân“ (V. [...]
[...] Wigalois geht es nämlich nicht um die Suche nach seiner genealogischen Abstammung, sondern vielmehr um seinen Vater als vorbildlichen Ritter: wil den suochen von dem mir ie / tugent unde mannheit / allez mîn leben ist geseit ; / daz ist mein vater, her Gâwein, / der ie in rîters êren schein, / als ichz von im hân vernomen“ (V. 1302-1307) argumentiert der junge Wigalois, um sein Verlangen nach Auszug der Mutter zu rechtfertigen. Damit aber die Suche nicht sofort am Artushof beendet ist und der Hof nicht gleich vollständig aus seinen Funktionen entlassen wird, greift der Autor eine fadenscheinige Begründung auf. Beim ersten Treffen ff.) kann Wigalois seinen Vater nicht identifizieren, obwohl er seinen Namen kennt (V. [...]
[...] Die ziemlich genaue Datierung der Ereignisse ergibt eine überschaubare Zeitlichkeit, die durch die ganze Dichtung hindurchgeht. Sie veranschaulicht mit ungemeiner Eindruckkraft seine Absichten und zeugen von seinen von der Kritik viel diskutiereten Gestaltungskompetenzen. Besonders aufschlussreich ist in dieser Hinsicht die Datierung der beiden Aventiurenreihe. Die Zeitstruktur der Haupthandlung besteht nämlich aus vier Tagen pro Sequenz. Der vierte Tage führt den Helden jeweils an das entsprechende Ziel. So erfolgt zu diesem Zeitpunlt in der ersten Reihe die Ankunft auf Roimunt ff.), und in der zweiten das Erwecken aus der Ohnmacht durch Adan ff.). [...]
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