Im Mittelalter übte das französische Gesellschaftsvorbild eine starke Anziehungskraft an den deutschen Adel. Auf die selbe Weise wurde die deutsche Literatur weit von den französischen Dichtungsformen geprägt. Aber nicht alles wurde in Deutschland übernommen. Nur die „Matière de Bretagne“ fand in Deutschland einen großen Anklang. Mit diesem Begriff fasste Jean Baudel im 13. Jahrhundert den höfischen Roman, der sich auf den keltischen Stoff von König Artus und den Rittern der Tafelrunde stützte.
In diesem Hintergrund bearbeitete Hartmann von Aue, ein gelehrter Ritter, ein Roman von Chrétien de Troyes, Erec et Enide, womit Erec, der erste Artusroman in deutscher Sprache, entstand. Zwar ist Hartmann von Aue von Chrétien abhängig, aber hier kann von keiner bloßen Übersetzung die Rede sein. Es könnte sich um eine „Adaptation Courtoise“ handeln, insofern dass Hartmann die gleiche Geschichte erzählen wollte aber mit anderen Darstellungsformen. Diese letzte Annahme ist aber nur zum Teil richtig, indem eine Änderung der Form zwangsmäßig den Sinn verändert. Es kam also eher zu einer Umakzentuierung Hartmanns und zu einem Willen, den Text den kulturellen und sozialen Bedingungen anzupassen.
Im 12. Jahrhundert äußerte sich also das begehrte Gesellschaftsideal in einer gewissen Gattung, der Artusroman, und unter anderen, in Erec. Diesem weltlichen Gesellschaftsideal, im Sinne des diesseitigen Konzept der Realität, das heißt im Sinne der verkörperten höfischen Welt, welcher Erec der Stellvertreter ist, steht die Gegenwelt gegenüber, im Sinne eines andersweltlichen Konzept der Realität, das heißt im Sinne der magischen Gegenentwurf zur diesseitigen Welt. Die Welt ist also als höfische Umgebung zu versehen, während die Gegenwelt als „Aventiureumgebung“ zu verstehen ist, das heißt als Umgebung von dem, was einem zukommt, Umgebung von Wald und Wildnis, von Orten mit unbekannten Gefahren und Herausforderungen. Insofern wäre es interessant zu untersuchen, wie sich Welt und Gegenwelt in Erec gegenseitig problematisieren.
Zwar, wie es zuerst behandeln werden soll, problematisieren sich Welt und Gegenwelt im ersten Handlungsteil gegenseitig, aber nur oberflächlich, und dies führt zu einer Krise, deswegen soll eine zweite tiefere gegenseitige Problematisierung unter veränderten Zeichen stattfinden, wie es danach erklärt werden soll, und schließlich werden die Einsätze dieser Problematik näher betrachtet.
[...] Damit wird klar, dass die Minne, die als soziale Wert und nicht als subjektives Gefühl zu verstehen ist, sich in die Natur durch intensiven Blickkontakt entwickelt, in einen Raum außerhalb der höfischen Gesellschaft, in das Unterwegssein, das heißt in die Bewegung und in die Ortlosigkeit. Indem Erec zugleich Ruhm und Frauenminne gewinnt wird der Zusammenhang von Aventiure und Minne, von Tat und Eros klar angegeben. Keine der beiden ist ohne die andere möglich. Der glückliche Ausgang von Erecs Aventiure bringt die Hofgesellschaft, die Welt, in Hochstimmung. Die Begriffe der (V. 1801) und der (V. [...]
[...] Der Ritter muss der Kirche und dem christlichen Glauben dienen. Insofern können die Durchgänge durch die Gegenwelt als Kreuzzüge gegen die Feinde des Glaubens, des Ideals, gesehen werden. In dem Roman sind auch die höfischen Tugenden als Richtlinien, die dem Ritter den Weg zur höfischen Vollkommenheit weisen, zu finden.[48] Die Demut und das Mitleid sind zwei religiöse Tugenden, die Erec prägen. Der christlichen Morallehre zufolge, muss die Seele über zehn Güter herrschen: Einerseits über fünf Güter, die am Körper getragen werden (sterk, snelle, glust, behendekeit, schoene) und andererseits über fünf Güter, die außerhalb des Körpers zu finden sind (adel, maht, rîchtuom, name, hêrschaft).[49] Hinzu kommt, dass die hövescheit sich durch die vreude, als Pflicht des Herrschers zu geben, und die êre, als weltlicher Ruhm, äußerte. [...]
[...] Sie finden Unterkunft in einem Gasthaus. Von Enitens Schönheit betört, will der Graf sie für Frau nehmen. Er nutzt die Distanz zwischen Erec und Enite, um sie zu nähern und zu bedrohen. Sie muss eine List erfinden, die positiv vom Erzähler bewertet wird. Als der Graf sie nachholt beweist wiederum Erec auf seine Rittertüchtigkeit und Enite muss wiederum sein Zorn erdulden. Sein rohes Benehmen wird aber auch um so mehr unter Beweis gestellt, indem es mit dem höfischen Benehmen des Knappen kontrastiert. [...]
[...] Metzlersche und Carl Ernst Poeschel, Stuttgart SOSNA, Anette. Fiktionale Identität im höfischen Roman um 1200: Erec, Iwein, Parzival, Tristan, S. Hirzel, Stuttgart CORMEAU, Christophe und STÖRMER, Wilhelm. Hartmann von Aue, Epoche Werk Wirkung, C.H. Beck, München S.176-177. HAUG, Walter. Literaturtheorie im deutschen Mittelalter, Von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt S.93 SOSNA, Anette. Fiktionale Identität im höfischen Roman um 1200: Erec, Iwein, Parzival, Tristan, S. Hirzel, Stuttgart S.70 CORMEAU und STÖRMER, op. cit., S.179 BUMKE, Joachim. [...]
[...] Diese Aventiure bezeichnet das, was einem zukommt, und genauer, die des Ritters, seine Aufgabe, in deren er sich durch eine Tat, einen Kampf unter Einsatz seines Lebens, verwirklicht. Insofern kann also auch die Gegenwelt den Aventiurebereich und die Welt den Hofbereich darstellen. In dieser Gegenwelt, und hier im Besonderen in Tulmein, herrschen andere Werte.[4] Jedes Jahr wird eine Art Schönheitswettbewerb abgehalten und alle erwarten, dass Ider, der Ritter, der Erec beleidigt hat, für das dritte Mal gewinnt. Erec ist dagegen hilflos, „habelôs“ (V. 238) und ratlos, „wîselôs“ (V. 250). Er ist unbekannt und nicht anerkannt. [...]
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