Diese Arbeit stellt den Zusammenhang zwischen Geschichte und deutsche Identität da. Warum sollte Geschichte für das deutsche Selbstverständnis bedeutender sein als bei anderen Völkern?
[...] Erstens meinte Nolte, der Holocaust sei kausal mit den sowjetischen Gulags verbunden, die vorher ausgebaut wurden, und sei deswegen eine defensive Reaktion der westeuropäischen bürgerlichen Gesellschaft. Die Nazis hätten aus Angst vor dem Bolchewismus so gehandelt. Die zweite These lautet, die Juden hätten schon vor der deutschen für Nolte defensiven Kriegserklärung einen heimlichen Krieg gegen Deutschland geplant. Der Präsident der zionistischen Weltorganisation hätte nämlich schon 1939 den britischen Premierminister gegen Hitler unterstützen wollen. Noltes Behauptungen führten zu einem Historikerstreit zwischen 1986 und 1987, in der der Historiker Jürgen Habermas mit seiner Warnung Naziverbrechen verlieren ihre Singularität“ eine besondere Rolle spielte. [...]
[...] Ein Verfassungspatriotismus müsste eigentlich durch eine einflussreiche Staatspolitik eingeleitet werden, dies wäre jedoch widersprüchlich, da diese Art von Patriotismus ja Prinzipen wie Freiheitsdenken der Gesellschaft und Ablehnung von staatlicher Indoktrination übertragen will. Letztendlich kann eine effiziente Identitfizierung mit dem politschen System der BRD nur durch eine gelungene politische Integration funktionieren . Dies ist für das seit 1990 vereinigte Deutschland problematisch, denn die Ostdeutschen fühlen sich wegen ihrer Geschichte, wegen ihres Selbstverständnisses und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Position ausgegrenzt. Auβerdem ist der Verfassungspatriotismus eine westeuropäisches Vorstellung und das deutsche Grundgesetz hätte sowieso 1989, laut seiner eigenen verfassungsrechtlichen Basis, umgändert werden müssen. [...]
[...] Deswegen ist die Behandlung der Geschichte der DDR heute wichtig. Und was ist mit der Geschichte der DDR ? Seit der werden beim Behandeln der ostdeutschen Geschichte verschiedene Probleme wahrgenommen. Als erstes kommt das Problem der „Doppeldiktatur“, beziehungsweise die Frage, wie man die DDR und ihren Autoritarismus bezugnehmend zur gemeinsamen deutschen NS-Vergangenheit erforschen und interpretieren muss. Auf jeden Fall darf man die DDR und den Nationalsozialismus nicht gleichsetzen. Die DDR war ein autoritäres, aber kein totalitäres Regime, das ein gewisses humanistisches Ideal trug und den Nationalsozialismus und besonders deren Rassentheorien kategorisch ablehnte. [...]
[...] Dass die Deutschen so massiv akzeptieren, dass ihre Väter bewusste Mörder waren oder bereit waren solche zu werden, ist vielleicht ein Zeichen von Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte, und Gleichgültigkeit ist gleichzusetzen mit Vergessen. Persönlich sehe ich aber in dieser Akzeptanz eine Maturität des deutschen Volkes, das endlich seine Schuld wahrnimmt und seinen Weg in die Normalität einleitet. Hier sind besonders die jungen Generationen in Betracht zu ziehen, die jedoch meiner Ansicht nach nicht ihre Vergangenheit vergessen, sondern die sich ihrer moralischen Schuld und ihrer Aufgabe bewusst sind. Vergangenheitsbewältigung und andauernde Auseinandersetzung mit der Geschichte, aber auch innerhalb der Gesellschaft, werden jedoch immer nötig sein. [...]
[...] Daher spielt Geschichte eine zentrale Rolle für das deutsche Selbstverständnis. Schon ein paar Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches wurde dieses schreckliche Erlebnis von der Geschichtswissenschaft erforscht und vielfach interpretiert. Auch die Politiker verstanden, dass eine bestimmte Interpretation dieses Geschehnisses (die Verführung des deutschen Volkes durch Hitler und die Nazis) für das herabgewürdigte deutsche Selbstverständnis nötig war. Die Geschichte Deutschlands ist derart wichtig für die nachkommenden Generationen und ihr Selbstverständnis, weil sie von gewaltigen Ereignissen geprägt wurde (Hitlers Machtergreifung oder dem Fall der Mauer), die eine neue Periode einleiteten und die Vergangenheit schnell zur Geschichte machten, obwohl diese noch sehr spürbar war. [...]
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