Richard Huelsenbeck gilt als Bindeglied zwischen der Keimzelle des Dadaismus in Zürich und ihrer weitgehend unabhängigen Variante in Berlin. Ihm ist es zu verdanken, dass die Bewegung 1918 eine Öffentlichkeitswirksamkeit erhielt, die prägend für das Selbstverständnis der Berliner Dadaisten werden sollte. Einen wichtigen Schritt zur Propagierung der Dada-Forderungen unternahm er mit der Verteilung seines "Dadaistischen Manifests" am 12. April des gleichen Jahres in der so genannten "Neuen Sezession" (Berlin). Auf diesem von nahezu allen Züricher und Berliner Dadaisten unterzeichneten Flugblatt bestimmt Huelsenbeck, was unter der Bezeichnung Dada firmiert, ohne sich jedoch programmatisch festzulegen. Der Text besteht aus drei gut erkennbaren Teilen, in welchen der Autor eine schrittweise Dynamisierung seiner Argumentation liefert: der gnadenlosen Unterminierung des Expressionismus folgt eine Darstellung der dadaistischen Ausdrucksmittel, die schließlich mit einer Verlautbarung der Ansprüche der Bewegung an ihrer Epoche gekrönt wird. Das Besondere dieses Manifests wird durch eine kritische Analyse der Mittel herauskristallisiert, die Huelsenbeck aufgreift, um Dada international zu etablieren. Die vorliegende Untersuchung gliedert sich in zwei Phasen. Zuerst wird die Abgrenzungsstrategie Huelsenbecks gegenüber dem damals alles dominierenden Expressionismus kritisch analysiert. Im Anschluss daran wird gezeigt, dass diese Opposition zur Tradition zwar als kreativer Gewaltakt jedoch nicht als Schöpfung ex nihilo zu verstehen ist. Gleichzeitig wird der Stellenwert des Dadaismus im Spannungsfeld von Kunst und Wirklichkeit teilweise augrund einer Deutung des Textrhythmus eingeschätzt.
[...] Der Hinweis auf Wengs“ und seinen Revolver setzt ein weiteres Mal auf Empörung, um damit das Publikum aus seinem ästhetisch-kontemplativen Rahmen wachzurütteln: Literatur wird mit dem Revolver in der Tasche gemacht, nicht mit „Gebeten und Weihrauch“ (S. 23). Huelsenbeck greift die Aggressivität der Werbung als wirkungsästhetisches Mittel auf und überträgt sie auf sein Manifest. Er gebraucht eine abgehackte, das großstädtische Getriebe reflektierende Rhythmik, die das Ende des Textes mit jedem Satz dynamisiert und schließlich zur Explosion führt: „Für den Dadaismus in Wort und Bild, für das dadaistische Geschehen in der Welt. Gegen dieses Manifest sein. Dadaist sein.“ (S. [...]
[...] Sie muss jedem zugänglich sein und ein der Epoche entsprechendes Spaßprinzip pflegen, das neue Sinngebung ermöglichen soll. Davon zeugen die einfachen Sätze, sowie die Wiederholung von im letzten Teil der Textes: „Dada ist ein CLUB, der in Berlin gegründet worden ist . Hier ist jeder Vorsitzender . Dada ist nicht ein Vorwand für den Ehrgeiz einiger Literaten . Dada ist eine Geistesart, die sich in jedem Gespräch offenbaren kann.“ (S. 25) Fazit Im Gegensatz zu anderen Dadaisten ist bei Huelsenbeck die lautstarke Hinrichtung des Expressionismus durch die Triade Abstraktheit, Passivität, Bürgertum mit einer schöpferischen Lust gekoppelt. [...]
[...] Dies ist ohne Zweifel darauf zurückzuführen, dass Richard Huelsenbeck nicht zu den engagiertesten Dadaisten, sondern zur ästhetischen Variante der Bewegung gehörte. Der Hass auf den faulenzenden, machtgierigen Bürger, gleichzeitig aber auch die Hervorhebung des mühevollen Lebens der Arbeiter gehört bekanntlich zu den festen Signa des Dadaismus: Expressionismus, der im Ausland gefunden, in Deutschland eine Idylle und Erwartung guter Pension geworden ist, hat mit dem Streben tätiger Menschen nichts mehr zu (S. 23). In anderen Texten des Reclam-Bandes bei Hausmann zum Beispiel in deutsche Spießer ärgert sich“ (S. [...]
[...] 24) unerwähnt: Der Dadaismus muss und daraus gewinnt er seine eigentliche Identität als radikale Opposition zu seinen Vorläufern auftreten, sonst liefert er eine Angriffsfläche für mögliche Widersprüche. Das Besondere des Dadaismus besteht schlicht und ergreifend in der Radikalisierung der Rebellion, die er durch zugespitzte Provokation zu entfachen versucht. Die Realität darf nicht mehr vom Künstler geschaffen werden. Der Raum des Künstlers darf nicht mehr aus Visionen bestehen. Die Kunst, so Huelsenbeck, so auch die Dadaisten, muss das Bild eine wahnsinnig gewordenen Welt rein und unverfälscht widerspiegeln. [...]
[...] 25) untermauern diese Strategie, die sich in vielen Fällen nur indirekt gibt, wie wir später noch sehen werden. Der bewusst provokative Stil des Autors und eine gezielte Auswahl strikt verneinender Wörter wie „nichts mehr“ (S. 23) zeugen ebenso von der Gewalt einer Revolte, die sich letztendlich unter verschiedenen Aspekten definieren lässt. Eine destruktive Triade: Abstraktheit Passivität Bürgertum Die Opposition zwischen Dadaismus und Expressionismus taucht prinzipiell im Gewand einer implizit gegebenen Opposition zwischen Objektivismus und Abstraktheit auf. Huelsenbeck definiert zunächst einmal die Bewegung nicht über das, was sie ist, sondern über das, was sie nicht ist. [...]
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