Der Dualismus „Staat und Kirche“ für die Geschichte Italiens war im 19.Jahrhundert so zentral wie kaum ein anderer. Tatsächlich war die Nationalgründung Italiens mit der Kirchenfrage eng verbunden … und aus gutem Grund! Von der Französischen Revolution und Bonaparte erschüttert, steht Europa in einer Gärung von Kräften, die sich gegen oder für das Papsttum erheben1. Der Papst stand doch immer noch als absolutischer Herrscher an der Spitze des Kirchenstaates. Das Risorgimento zwischen 1815 und 18702 bedeutete für das Papsttum einen Bruch wie nie zuvor3. Zwei komplexe Fragen begleiteten den italienischen Nationalstaat von Anfang an, und zwar: Was war der Standpunkt der katholischen Kirche zum neuen Staat und inwiefern kündigte die Entstehung des italienischen Nationalstaates die Auflösung des Papsttums an? Hier wird die folgende These bearbeitet: Die komplizierte Beziehung zwischen der katholischen Kirche und des italienischen Nationalstaates liegt hauptsächlich an der Rückständigkeit des Papsttums.
[...] In seinen Schriften Potere politico christiano“ (1857- Die christianische politische Macht) und „Sagio sul potere pubblico o esposizione delle leggi naturali dell'ordine sociale (1859- Essay über die öffentliche Macht oder Darstellung der naturgemäßen Gesetze der sozialen Ordnung) verdeutlichte Giocchiano Ventura seine Theorie. Antonio Rosmini[18] vertrat auch die Theorie des liberalen Katholizismus. Dieser Theologe und Philosoph wollte die politischen Reformen mit kirchlichen Reformen begleiten. In seinem Werk „Delle cinque piaghe della Santa Chiesa“ (Die fünf Wunden der Heiligen Kirche) beklagt er die „Dienstbarkeit der Kirche“. Für ihn sollte es zu einer liberalen Revolution innerhalb der Kirche kommen[19]. [...]
[...] Das Scheitern des Papsttums lässt sich also hauptsächlich durch die Rückständigkeit der katholischen Kirche erklären. Nach Jean-Jacques Thierry bedeuteten die Garantiegesetze aber keine Auflösung des Papsttums, insofern als der Papst seine religiöse Dimension und ewige Macht immer noch hatte[33]. Der Verlor seiner Gebiete wäre also kein Grund für das Zerfallen des Kirchenstaates. Für Jean-Jacques Thierry waren die Hauptsachen „l'aveu de la Chrétienté et le „témoignage des Nations“[34] sowie das Heil der Seelen, die der Papst immer noch behielt. Bibliographie Darstellungen Joseph Bernhart, Der Vatikan als Weltmacht, Paul List Verlag München Serge Berstein et Pierre Milza, L'Italie contemporaine du Risorgimento à la chute du fascisme, Armand Colin Jean-Dominique Durand, L'Italie de 1815 à nos jours, Hachette Supérieur M.Rossi, Il conclave di Leone XII. [...]
[...] I-2 Der Konflikt zwischen liberalem Staat und katholischer Kirche Es ist wesentlich festzustellen, dass der Papst als Kämpfer revolutionärer Ideen stand[11]. Das hatte sich zwangsläufig aus der Entstehung mehrerer revolutionären Geheimbünde ergeben, die sich gegen den Papsttum äußerten. Die sogenannten „Carbonari“ gelten hier als das bedeutendste Symbol des Streites mit der katholischen Kirche[12]. Sie vertraten nationale demokratische Ideen. Am 13.September 1819 erließ aber Papst Pius VII. eine Bulle gegen die Carbonari[13]. Die bedeutendste päpstliche Bulle gegen die Geheimgesellschaften Graviora“ genannt) ist doch die vom Papst Leo XII. [...]
[...] Dies provozierte aber die unabsehbare Auflösung des Kirchenstaates II- Der italienische Nationalstaat und die Auflösung des Kirchenstaates II-1 Pius IX.: ein neuer Anfang ? Am 16. Juni 1846 wurde Pius IX. nach zweitätigem Konklave als Nachfolger Georgs XVI. zum Papst gewählt und wurde am 21. Juni mit der Tiara (oder „Papstkrone“ genannt) gekrönt[21]. Obgleich er gegen den Republikanismus und die italienische Einigungsbewegung war, begann er seine Herrschaft mit einigen liberalen Reformen darunter der Befreiung politischer Gefangener. Er gründete außerdem eine Ratsversammlung („corps consultatif“), ein Gemeinderat für die Stadt Rom und ein Ministerrat. [...]
[...] In seiner Antrittsenzyklika Pluribus“ genannt) ist es wesentlich festzustellen, dass die Richtlinie seiner Politik so konservativ ist wie diejenige von den ehemaligen Päpsten. Er wendet sich nämlich gegen Demokratie, Liberalismus und Sozialismus[26]. Diese „Zeitirrtümer können die Freiheit gefährden“, so hat Pius IX. in seiner Enzyklika von 1846 treffend formuliert. In seinem Apostolischen Schreiben „Quibus quantisque malis“ kritisierte er weiterhin die revolutionären Entwicklungen in Italien. Am 18.Juli 1870 verkündete Pius IX. weiterhin die kirchenamtliche und geistliche Unfehlbarkeit[27], was die konservative Richtlinie des Papstes deutlich zeigt. [...]
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