Die Literatur des Mittelalters beschäftigt mit dem höfischen Ritter. Es handelt sich um die Strecke und die Erziehung des Ritters, so dass wir ihn sich entwickeln sehen. Sein Bild soll Vorbild bedienen, das heißt, dass der Leser eine Lektion jener Geschichte ziehen soll. Er identifiziert sich eigentlich an seinem Helden. Die Geschichte erfolgt immer in der Religion; die häufigen Anspielungen an Gott und den Teufel geben noch eine moralische Eigenschaft der Geschichte: der Weg, dem wir folgen sollen. So soll der Leser das Interesse der Situation abschätzen. Der Held ist tapfer, brav, kann die Waffen handhaben, ist ehrlich treu, grobzügig und
kann vor allem seine Ehre bewahren. Diese Eigenschaften des ritterlichen Romans entsprechen mehr oder weniger der Chanson de geste.
Hartmann von Aue (1170 - 1210), deutscher Dichter, schreibt nach diesen Kriterien, übernimmt aber französische Autoren wie Chrétien de Troyes. Er
interessiert sich eigentlich für La Vie du Pape Saint Grégoire, eine französische Legende ohne echte Autoren, insofern als es mehrere Quellen gibt. Er inszeniert Gregorius, einen Jungen, der aus einer inzestuösen Union zwischen seinem Vater-Bruder und seiner Mutter-Schwester geboren ist. Er erzählt die Zukunft dieses Jungens als Ritter. Er betont dennoch die moralische Tragweite der Beziehungen zwischen den Charakteren.
Ich kann also mich über die Arbeit von Hartmann im Verhältnis zu La Vie du Pape Saint Grégoire befragen: welche Rolle spielt der Erzähler in der Schrift vom
Gregorius im Verhältnis zu der französischen Legende, und welche Perspektiv will er seinem Werk zuweisen? Hartmann schreibt ungefähr hundert Jahre nach den französischen Autoren, was bedeutet, dass er die Geschichte durchgedacht hat und Details bringen will. Deshalb kann nicht von einer einfachen Übersetzung
sprechen. Auf diesen Fall geht es sich um eine Bearbeitung, aber wie wird sie dargestellt? Ich werde also erste zwei der wesentlichen Szenen vergleichen, der Geschwisterinzest und der Mutter-Sohn-Inzest einerseits und das Gespräch zwischen dem Abt und seinem Patenkind im Grégoire und im Gregorius
andererseits, um dann die Absicht des Autors zu verstehen.
[...] Er betont dennoch die moralische Tragweite der Beziehungen zwischen den Charakteren. Ich kann also mich über die Arbeit von Hartmann im Verhältnis zu La Vie du Pape Saint Grégoire befragen: welche Rolle spielt der Erzähler in der Schrift vom Gregorius im Verhältnis zu der französischen Legende, und welche Perspektiv will er seinem Werk zuweisen? Hartmann schreibt ungefähr hundert Jahre nach den französischen Autoren, was bedeutet, dass er die Geschichte durchgedacht hat und Details bringen will. Deshalb kann nicht von einer einfachen Übersetzung sprechen. [...]
[...] [Bei Hartmann drückt Gregorius aus, seine Herkunft zu erforschen], erst als von den Umständen seiner Geburt erfahren hat. Dadurch ist vom Dichter ( ) in das Gespräch und in der Gang der Argumentation noch eine letzte Steigerung gebracht und zugleich diesen besonderen Grund der Ausfahrt stärker mit dem Wissen des Gregorius von seiner Geburt verbunden. So ist für die ganze folgende Entwicklung ein neuer Akzent gesetzt.“17 Was die beiden letzten Argumente angeht, Hartmann nicht nur beträchtlich erweitert und in dem angedeuteten Sinn vertieft, sondern auch durch die leichte Verschiebung der Akzente harmonischer [durch Organisation] miteinander zu verbinden gesucht. [...]
[...] ) im Französischen geht der folgende Schmerzausbruch unmittelbar in die Handlung über. Die Dame sinkt aufs Bett, rauft sich im Schmerz ihr Haar; auf ihr Schreien kommt das Gefolge, und sie [beauftragt den seneschal damit, dass er ihren Mann holt].“9 Infolgedessen stellt diese Stelle Bezug zum Prolog her, [in dem] die Lehre der Geschichte vom guten Sünder besteht, dass er nicht in zwîvel an Gott fiel, sondern riuwe zeigte und in der Hoffnung auf Gottes Gnade Buβe tat. ( ) [Auβerdem] führt ( ) Hartmann nicht nur ( ) die Mutter an den Rand der desperatio, sondern bringt Gregorius nahe an diese Gefahr, um so zu zeigen, dass er sie zu überwinden vermochte. [...]
[...] Herlem-Prey, Brigitte: Le Gregorius et La Vie de Saint Grégoire. Détermination de la source de Hartmann von Aue à partir de l'étude comparative intégrale des textes. Göppingen 1979 (CAG 215). Schottmann, Hans : Gregorius und Grégoire. In: Zeitschrift für deutsches Altertum (1965), S. 81-108. [...]
[...] [Dagegen macht der deutsche Autor] dafür auβer dem Teufel drei Dinge verantwortlich: die minne zur Schwester, ihre schoene und die kindheit des Bruders (vv.323-327). Auf diese Weise erklärt er, wie es dem Teufel gelingen konnte, diesen Wandel im Bruder zu vollziehen. ( ) Der Teufel stachelt ihn nämlich an, bis der Bruder ebenfalls eines Nachts ins Bett seiner Schwester schlüpft und sie sich in dem gleichen Dilemma wie die Schwester im Grégoire befindet. Das stellt aber Hartmann formal anders dar: in einem Gedankenmonolog (vv. [...]
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